Lüneburg, Januar 2020
Spätestens nachdem das Kammergericht Berlin den Eltern – und Erben – eines verstorbenen 15-jährigen Mädchens den Zugriff auf das Facebook-Konto ihrer Tochter verweigert hat, ist der Begriff des digitalen Nachlasses in aller Munde.
Hierbei stellt sich zunächst die Frage, was überhaupt ein digitaler Nachlass ist. Die Bezeichnung „digitaler Nachlass“ stellt einen Sammelbegriff für unzählige auf elektronischen Medien
hinterlegte persönliche Daten dar. Dies betrifft verschlüsselte und unverschlüsselten Daten, seien sie auf lokalen Datenträgern, externen Speichern, in clouds (digitaler Speicher auf einem
externen Server) oder sonst im Internet bei Providern hinterlegt. Dies sind neben den lokal gespeicherten Daten insbesondere E-Mail-Accounts, Accounts bei sozialen Netzwerken wie Facebook, Rechte
an Websites oder Domains, aber z. B. auch ein Bitcoin-Konto.
Die Frage, ob der digitale Nachlass anders als der übrige Nachlass zu behandeln sei, stellt sich für den Erbrechtler zunächst einmal nicht. Das deutsche Erbrecht geht von einer
Universalsukzession aus, d. h. dass der Erbe vollständig in die Rechtsposition des Verstorbenen eintritt. Dieser Eintritt erfasst eben auch vertragliche Beziehungen zu den digitalen Anbietern wie
z. B. Facebook, Google oder auch GMX. Das Kammergericht Berlin hat jedoch dem Fernmeldegeheimnis, insbesondere § 88 Abs. 3 Telekommunikationsgesetz, und den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von
Facebook eine höhere Gewichtung als der Erbrechtsnachfolge zuerkannt.
Die Entscheidung des Kammergerichtes ist auf erhebliche Kritik gestoßen und zwischenzeitlich vom Bundesgerichtshof aufgehoben. Der BGH begründet diese Aufhebung eben mit der aus dem Erbrecht
hervorgehenden Vollrechtsnachfolge.
Die Erben, die vollständig in die Stellung des Verstorbenen eintreten, seien gerade keine unbeteiligten Dritten, gegenüber denen das Fernmeldegeheimnis greifen würde. Der vom Kammergericht
zugrunde gelegte § 88 Abs. 3 Telekommunikationsgesetz findet damit im Erbfall keine Anwendung. Auch wies der BGH darauf hin, dass der digitale Nachlass grundsätzlich nicht anders behandelt
werden könne als der analoge Nachlass. Eine Nachricht, die per E-Mail verschickt worden sei, ist nicht anders zu behandeln, als eine Nachricht per Brief. Ein Bitcoin-Konto kann nicht anders
behandelt werden als ein Sparbuch bei der örtlichen Bank.
Auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines digitalen Dienstleisters können dem nicht entgegenstehen, da diese einen weiteren Zugriff durch den Erblasser selbst zugelassen hätten, wäre dieser
nicht verstorben. Damit müssen auch dessen Erben, die ja genau in die Rechtsstellung des Verstorbenen eintreten, weiter auf die jeweiligen Konten zugreifen können.
Neben der nun vom Bundesgerichtshof geklärten Rechtsfolge des Versterbens ist es natürlich auch möglich, eigens ausgewählten Vertrauenspersonen im Rahmen einer über den Tod hinauswirkenden
General- und Vorsorgevollmacht oder einer Spezialvollmacht Zugriffsrechte einzuräumen. Auch eine individuell gestaltete testamentarische Regelung kann sich im Einzelfall anbieten. Unabhängig von
der rechtlichen Bewertung des digitalen Nachlasses ist es dem Erben jedoch tatsächlich oft nur schwer möglich, auf die digitalen Konten des Verstorbenen zuzugreifen. Dies liegt zum einen daran,
dass diese Konten den Erben zum Teil weder bekannt sind, noch sind sie von den Erben leicht zu finden. Zum anderen ist der Zugriff oft nur mit Passwort möglich.
Um meinen Erben den Zugriff auf die digitalen Konten im Todesfall zu erleichtern, bietet es sich deshalb an, eine Aufstellung über die vorhandenen Konten und die dort verwendeten Passwörter zu
fertigen. Diese Aufstellung ist selbstverständlich so zu verwahren, dass sie von Unberechtigten geschützt ist. Auch müssen die Zugangsdaten und Passwörter selbstverständlich aktuell gehalten
werden.
Text: Hauke Wöbken, Rechtsanwalt und Notar,
Fachanwalt für Erbrecht und Fachanwalt für Familienrecht