Lüneburg, März 2020

Das Erbrecht kennt keine Patchworkehe

© eric - www.stock.adobe.com
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Schließen Partner die Ehe im vorgerückten Alter, mitunter auch zum zweiten Mal, sind die gesetzlichen Bestimmungen des Familien- und Erbrechtes oftmals unpassend. Durch den Abschluss eines Ehevertrages und die Errichtung eines Testamentes können Lösungen gefunden werden, die den individuellen Bedürfnissen Rechnung tragen.

Hausfrauenehe
Das Leitbild der gesetzlichen Regelungen im 4. Buch des Bürgerlichen Gesetzbuches ist die sogenannte Hausfrauenehe. Das Gesetz schützt den die Kinder betreuenden „schwächeren“ Ehegatten u. a. durch Unterhaltsansprüche, Versorgungsausgleich und Zugewinnausgleich. Die Interessenslage in der Hausfrauenehe unterscheidet sich in der Regel grundsätzlich von der Partnerschaft im vorgerückten Alter. Es liegt also nahe, mit einem Ehevertrag die gesetzlichen Regelungen den Erfordernissen der Ehe anzupassen. So kann beispielsweise ein Verzicht auf nachehelichen Unterhalt angemessen sein, soweit ehebedingte Nachteile für einen Ehepartner nicht zu erwarten sind. Ein typischer Anlass für den Abschluss eines Ehevertrages ist es, nach einer geschiedenen Ehe und bereits bestehenden Unterhaltspflichten vor einer zweiten Eheschließung die Begründung von weiteren Unterhaltspflichten auszuschließen. Bei zwei Doppelverdienern, die bereits Vorsorge für das Alter getroffen haben, kann es ferner im beiderseitigen Interesse liegen, den Versorgungsausgleich auszuschließen, so dass jedem Partner im Falle der Scheidung seine Altersversorgung ungeschmälert erhalten bleibt.

Wirtschaftlich unabhängig voneinander
Wollen Eheleute wirtschaftlich völlig unabhängig voneinander sein, können sie mit einem Ehevertrag die Gütertrennung vereinbaren. Bei Scheidung einer Ehe mit Gütertrennung gibt es keinen Zugewinnausgleich. Die Gütertrennung hat aber auch Nachteile. So geht z. B. der Steuerfreibetrag bei der Erbschaftssteuer verloren. Es ändern sich außerdem die Erbanteile von Ehegatten und Kindern. Um diesen Nachteilen der Gütertrennung zu entgehen, ist es möglich, den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft zwar beizubehalten, diesen aber ehevertraglich zu modifizieren, z. B. durch Ausschluss des Zugewinnausgleichs nur für den Fall der Scheidung oder durch Herausnahme von einzelnen Vermögensgegenständen aus dem Zugewinnausgleich. Bei einer Ehe mit unter Umständen beträchtlichem Anfangsvermögen kann die Erstellung eines gemeinsamen Vermögensverzeichnisses sinnvoll sein.

Erbrecht in Patchwork-Situationen
Auch erbrechtlich ergibt sich für die Senior-Ehepartner oftmals erheblicher Gestaltungsbedarf. Gerade wenn die Partner Kinder aus vorangegangenen Beziehungen haben, ist es unabdingbar, testamentarische oder erbvertragliche Regelungen zu treffen. Das gesetzliche Erbrecht hat für diese „Patchwork-Situation“ in der Regel keine angemessene Lösung. Nach der gesetzlichen Erbfolge werden neben dem neuen Ehepartner nur die eigenen leiblichen Kinder bedacht. Wenn man nichts regelt, hängt es außerdem vom Zufall, nämlich der Frage, welcher Ehepartner zuerst verstirbt, ab, bei welchen Abkömmlingen das Vermögen am Ende landet. Durch gezielte Erbeinsetzungen und die Anordnung von Vor- und Nacherbschaften können hier die gewünschten Ergebnisse erzielt werden. Welche der zahlreichen Gestaltungen im Bereich des Erbrechtes und des Unterhalts-, Versorgungsausgleichs- und Güterrechts möglich und sinnvoll sind, kann aufgrund der unterschiedlichen Konstellationen bei Ehen im vorgerückten Alter nur in einer individuellen juristischen Beratung ermittelt werden. Ehevertragliche und erbvertragliche Vereinbarungen bedürfen der notariellen Beurkundung. Beide Ehepartner können sich gemeinsam von einem Notar beraten lassen. Bei komplizierteren Sachverhalten und widerstreitenden Interessen empfiehlt sich die Beratung und Vorbereitung eines Ehevertrages durch Fachanwälte für Familienrecht. 

 

© Isabel Esklony, Fachanwältin für Familienrecht, NELL & VOSS Rechtsanwälte und Notare