Lüneburg, September 2024

Grenzabstände im

Nachbarrecht

Wenn man sehr dicht am Nachbargrundstück bauliche Anlagen errichtet oder Bepflanzungen vornimmt, ist einiges zu beachten. Es gibt klare Bestimmungen zum Grenzabstand und Besonderheiten im Falle eines Bauens über die Grenze.

©  finecki.Stock.Adobe.com
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Vorgaben für die Grenzabstände von Bäumen, Sträuchern und Hecken finden sich im niedersächsischen Nachbarrechtsgesetz (NNachbG). Danach haben Pflanzen abhängig von ihrer Höhe Mindestabstände zu Nachbargrundstücken einzuhalten. Beispielsweise hat eine Pflanze mit einer Höhe von bis zu 3 m einen Mindestabstand von 0,75 cm zur Grenze einzuhalten. Gemessen wird von der Stammmitte. Sobald eine Pflanze die gesetzlich zulässige Höhe überschreitet, hat der Nachbar einen Anspruch auf Rückschnitt. Der Anspruch auf Rückschnitt ist allerdings eingeschränkt, wenn die Anpflanzung über die nach dem Gesetz zulässige Höhe hinauswächst und der Nachbar nicht spätestens im fünften darauffolgenden Kalenderjahr Klage auf Rückschnitt erhebt. Nach Ablauf dieser Ausschlussfrist kann der Nachbar nur noch verlangen, dass der Eigentümer die Anpflanzung durch jährliches Beschneiden auf der einmal erreichten Höhe hält. Gebäudebestandteile, die über die Grenze gebaut werden (sogenannter Überbau) sind vom Nachbarn grundsätzlich auf Verlangen des Nachbarn zu beseitigen. Von diesem Grundsatz gibt es aber wiederum einige Ausnahmen:
So hat der Nachbar einen Überbau zu dulden, wenn der Gebäudeeigentümer bei dem Überbau weder vorsätzlich noch grob fahrlässig über die Grenze bebaut hat (sogenannter entschuldigter Überbau) und der Nachbau nicht unverzüglich nach der Grenzüberschreitung dem Überbau widerspricht (§ 912 BGB). Der Nachbar ist dann durch eine Geldrente zu entschädigen.
Ein weiterer Fall, in dem der Nachbar zur Duldung eines Überbaus verpflichtet sein kann, ist die nachträgliche Wärmedämmung einer Grenzwand: Der Gesetzgeber hat hier die Notwendigkeit erkannt, eine energetische Sanierung von bereits auf der Grenze stehenden Gebäuden zu erleichtern, und im Jahr 2014 den § 21a NNachbG eingeführt. Danach hat der Nachbar einen Überbau durch eine nachträglich auf eine Grenzwand aufgebrachte Außenwandbekleidung, die die Grenze um nicht mehr als 0,25 m überschreitet und der Wärmedämmung eines Gebäudes dient, im Regelfall hinzunehmen.
§ 5 NBauO (Niedersächsische Bauordnung) bestimmt, dass Gebäude und andere bauliche Anlagen, von denen Wirkungen wie von Gebäuden ausgehen, grundsätzlich einen Grenzabstand von mindestens 3 m einzuhalten haben. Ist das Gebäude höher als 7,5 m, erhöhen sich diese Mindestabstände. Von diesen Mindestabständen gibt es im Gesetz wiederum zahlreiche Ausnahmen, beispielsweise für Dachüberstände und Dachgauben, Stützmauern, Aufschüttungen und Einfriedungen. Ohne Abstand oder mit einem bis auf 1 m verringerten Abstand von der Grenze sind ferner zulässig, Garagen und Gebäude ohne Aufenthaltsräume und Feuerstätten, die eine bestimmte bauliche Größe nicht überschreiten.
Lange gab es unterschiedliche Meinungen zu der Frage, ob es sich bei Wärmepumpen um bauliche Anlagen handelt, für die ein Mindestabstand von 3 m gilt. Für Niedersachsen ist die Frage der Anwendbarkeit der Abstandsvorschriften aber inzwischen aufgrund einer im Juni 2023 in Kraft getretenen Gesetzesänderung geklärt. In § 5 Abs. 8 S. 4 Nr. 4 NBauO ist für Wärmepumpen eine spezielle Regelung eingefügt worden. Aus dieser Neuregelung ergibt sich, dass die Abstandsvorschriften in Niedersachsen auf freistehende Wärmepumpen grundsätzlich anzuwenden sind und Wärmepumpen nur unter sehr engen Voraussetzungen, insbesondere nur unter der Bedingung, dass die Abstände aufgrund der räumlichen Gegebenheiten des Baugrundstücks nicht eingehalten werden können, ohne Grenzabstand oder mit einem auf 1 m reduzierten Grenzabstand zulässig sind.
Text: Karsten Voss, Rechtsanwalt und Notar