Friedhof Nord-West

Die Liebe hört nicht auf

Sehr idyllisch und abseits des Trubels eingebettet zwischen Feldern und Wiesen an einem kleinen Weg gelegen findet man den ehemaligen Anstaltsfriedhof – heute als Friedhof Nord-West bekannt. Lesen Sie hier, was sich dahinter verbirgt und welch dunklem Kapitel unserer Geschichte auf diesem Friedhof gedacht wird.
Die ersten Beisetzungen auf dem Friedhof Nord-West fanden ca. 1922 statt. Bis zur Übernahme des Friedhofes durch die Hansestadt Lüneburg im Jahre 1985 wurden hier ausschließlich Patienten und Mitarbeiter des LKHs bestattet – daher der Name „Anstaltsfriedhof“.

In der Lüneburger Kinderfachabteilung wurden zwischen 1941 und 1945 mehr als 350 Todesfälle dokumentiert. Dieser Opfer des Nationalsozialismus wird heute mit einer Gedenkanlage, welche 2013 eingeweiht wurde, gedacht.Daneben befindet sich, auf dem heutigen Friedhof Nord-West in der Hansestadt Lüneburg, seit 1975 eine Kriegsgräberstätte mit 80 Gräbern von Erwachsenen und 4 Kindergräbern. Bis vor kurzem waren die Identitäten dieser dort Bestatteten unbekannt. Dabei handelt es sich um die einzigen noch existierenden Gräber von Toten aus der Zeit des NS auf dem ehemaligen Anstaltsfriedhof, die in der damaligen Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg auch getötet worden waren. Die Gräber von Kindern, die in der Kinderfachabteilung der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg Patienten waren, wurden ab Mitte der 1970er Jahre überbettet. 

Im Zuge des Erwerbs des Gutes Wienebüttel durch die Hansestadt Lüneburg im Jahre 1985, musste der Friedhof Nord-West ebenfalls mit übernommen werden. So wurde aus dem ehemaligen Anstaltsfriedhof ein öffentlicher Friedhof. 

Hier befinden sich auch die ersten Rasenreihengräber der Hansestadt Lüneburg, deren Gestaltung in den vergangenen Jahren immer wieder modifiziert wurde, um den Beisetzungswünschen der Hinterbliebenen zu entsprechen. Bei der aktuellen Form kann der Hinterbliebene das Grabmal selbst aussuchen und auf Wunsch auch eine kleine Pflanzfläche vor dem Stein einrichten. Wird die eigene Pflege dieser kleinen “Blumeninsel“ zu schwer, wird auch hier Rasen eingesät und durch die Mitarbeiter der Friedhofsverwaltung gepflegt.

Natürlich kann man hier auch das Nutzungsrecht an einem individuellen Grab erwerben, in dem dann eine Erdbestattung und bis zu 4 Urnen bestattet werden können. Bei dieser Bestattungsform  besteht die Möglichkeit das Nutzungsrecht von 25 Jahren zu verlängern.

 

Beisetzung Angehöriger islamischen Glaubens

Seit 2008 finden, auf einem extra dafür ausgewiesenen Teil des Friedhofs, auch islamische Beisetzungen statt. Dazu musste von der Hansestadt Lüneburg ein bodengeologisches Gutachten eingeholt werden, aus dem hervorgeht, dass der Boden verwesungsfähig ist, was für die Beisetzung im Tuch von großer Bedeutung ist. Nach der Genehmigung dieses Gutachtens durch die Gesundheitsbehörde stand nun der ersten islamischen Beisetzung FAST nichts mehr im Wege.

Bei einer Beisetzung im Tuch wird der Leichnam, eingewickelt in ein Leinentuch, seitlich gen Mekka schauend ins Grab gelegt. Vorher werden Vierkanthölzer in unterschiedlichen Höhen in die Grabecken gestellt. Zu guter Letzt wird über den Leichnam eine Spanplatte gelegt, die nun durch die unterschiedliche Höhe der Vierkanthölzer leicht zur Seite abfallend über der begrabenen Person liegt. Diese Spanplatte entspricht dem Sargdeckel. Der Hintergrund dieser Spanplatte ist, dass der Leichnam nicht mit Dreck beschmutzt werden darf.

Ein Iman wurde bestellt, der die Ausrichtung des 1. Grabes gen Mekka prüfen sollte. Dies tat er SEHR sorgfältig: Er kam zur ersten Beisetzung, um Zeremonie, Grab und Friedhof zu prüfen und hatte tatsächlich etwas zu beanstanden. Er scheute sich nicht, die komplette anwesende Trauergemeinde wieder nach Hause zu schicken, um das bereits ausgehobene Grab noch einmal neu ausrichten zu lassen. Somit wurde das 1. islamische Grab 2 mal ausgehoben. Drei Stunden später konnte die Beisetzung unter erneuter Anwesenheit der Trauergäste fortgesetzt werden.

Bis zum heutigen Tage wurden dort 17 islamische Bestattungen durchgeführt. Der Nord-West Friedhof hat eine sowohl ergreifende als auch weltoffene Geschichte zu verzeichnen und ist für Familien der verschiedensten Glaubensrichtungen ein wichtiger Ort.

 

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