Lüneburg, Juni 2024

Das Notvertretungsrecht des Ehegatten

Seit dem 01. Januar 2023 sieht das Gesetz in § 1358 BGB ein sogenanntes Notvertretungsrecht für einen Ehegatten vor, wenn der andere Ehegatte aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr selbst in der Lage ist, Entscheidungen zu treffen.

Diese Regelung gilt auch für eingetragene Lebenspartner. Die Intention des Gesetzgebers war, in akuten Notfällen eine Entscheidungsbefugnis für den Ehepartner zu schaffen, ohne dass ein bürokratisches und zeitaufwendiges Betreuungsverfahren in Gang gesetzt werden muss.
Mit Einführung dieses Notvertretungsrechtes stellt sich die Frage, ob es noch empfehlenswert oder gar notwendig ist, eine (notarielle) Vorsorgevollmacht zu erteilen. Dafür muss man allerdings wissen, dass das Notvertretungsrecht nur sehr eingeschränkt wirkt. Zum einen sind die Voraussetzungen für das Entstehen des Notvertretungsrechtes eng gefasst, zum anderen erstreckt sich die Vertretung nur auf den medizinischen und gesundheitlichen Bereich.
Eine Vertretungsberechtigung des Ehegatten besteht nicht, wenn:

  1. die Ehegatten getrennt leben,
  2. dem vertretenden Ehegatten oder dem Arzt bekannt ist, dass der vertretene Ehegatte eine Vertretung durch seinen Ehegatten ablehnt oder jemanden zu seiner Vertretung in diesen Angelegenheiten bevollmächtigt hat oder
  3. für den vertretenen Ehegatten bereits ein Betreuer bestellt ist, dessen Aufgabenkreis die genannten Angelegenheiten umfasst.

Die Grundvoraussetzung für das gesetzliche Vertretungsrecht des § 1358 BGB ist, dass ein Ehegatte die Angelegenheiten seiner Gesundheitssorge aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit rechtlich nicht mehr selbst besorgen kann. Gemäß § 1358 Abs. 4 BGB muss der Arzt, gegenüber dem das Notvertretungsrecht (erstmals) ausgeübt wird,

  1. das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen und den Zeitpunkt, zu dem diese spätestens eingetreten sind, schriftlich bestätigen,
  2. dem vertretenden Ehegatten neben dieser Bestätigung nach Nummer 1 mit einer schriftlichen Erklärung über das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 und das Nichtvorliegen der oben genannten Ausschlussgründe des Absatzes 3 vorlegen und
  3. sich von dem vertretenden Ehegatten schriftlich versichern lassen, dass
    a)    das Vertretungsrecht wegen der gesundheitlichen Beeinträchtigung, aufgrund derer der Ehegatte jetzt seine Angelegenheiten der Gesundheitssorge rechtlich nicht besorgen kann, bisher nicht ausgeübt wurde und
    b)    kein Ausschlussgrund des Absatzes 3 vorliegt.

 

Der Arzt muss dem vertretenden Ehegatten ein Dokument mit der Bestätigung gemäß Ziffer 1 und ein Dokument zur Versicherung gemäß Ziffer 3 für die Ausübung des Vertretungsrechts (bei außenstehenden Dritten) aushändigen.
Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, begründet § 1358 BGB das sogenanntes Notvertretungsrecht für „medizinische Einwilligungen und Verträge“. Dieses Vertretungsrecht umfasst:

  1. Einwilligungen in Untersuchungen des Gesundheitszustandes, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe zu erteilen oder zu untersagen sowie ärztliche Aufklärungen entgegenzunehmen,
  2. Behandlungsverträge, Krankenhausverträge oder Verträge über eilige Maßnahmen der Rehabilitation und der Pflege abzuschließen und durchzusetzen,
  3. über freiheitsentziehende Maßnahmen zu entscheiden, sofern die Dauer der Maßnahme im Einzelfall sechs Wochen nicht überschreitet, und
  4. Ansprüche, die dem vertretenen Ehegatten aus Anlass der Erkrankung gegenüber Dritten zustehen, geltend zu machen und an Leistungserbringer abzutreten oder Zahlung an diese zu verlangen.

In solchen Fällen besteht dann keine ärztliche Schweigepflicht (§ 1358 Absatz 2 BGB).
Nicht vom Notvertretungsrecht umfasst sind Entscheidungen und Verträge, die nicht in einem direkten Zusammenhang mit der gesundheitlichen und medizinischen Betreuung des Betroffenen stehen. Für derartige Entscheidungen müsste – sollte eine (notarielle) Vollmacht nicht vorliegen – weiterhin ein Betreuer durch das Amtsgericht bestellt werden.
Das Ehegattennotvertretungsrecht erlischt, wenn die gesundheitlichen Voraussetzungen nicht mehr vorliegen oder wenn mehr als sechs Monate seit der Erstfeststellung der Erkrankung durch den Arzt vergangen sind. Das Vertretungsrecht darf mit der Bestellung eines Betreuers, dessen Aufgabenkreis die genannten Angelegenheiten umfasst, nicht mehr ausgeübt werden.
Es bleibt deshalb weiterhin ratsam, durch Errichtung einer (notariellen) Vorsorgevollmacht eine langfristige und umfassende Vertretung absichern. Nur durch eine Vollmacht ist es möglich, die Entscheidungsmöglichkeit auch andere Personen als dem Ehepartner, also z.B. den Kindern, zu übertragen.
n Hauke Wöbken, Rechtsanwalt und Notar, Fachanwalt für Erbrecht, Fachanwalt für Familienrecht


Lüneburg, März 2023

Beizeiten Vorsorgen …

mit vollmacht, betreuungs- und patientenverfügung

Es kann jeden treffen. Ein Verkehrsunfall oder eine schwere Krankheit – mit einem Mal ist man auf andere angewiesen. Den Alltag bewältigen, das ist nur die eine Seite. Die andere Seite ist: Wer trifft Entscheidungen für mich, wenn ich dazu selbst nicht mehr in der Lage bin? Wer regelt meine Bankangelegenheiten? Wer bestimmt, wie ich im Krankheitsfall behandelt werde? Wo werde ich leben, wenn ich in meiner Wohnung nicht mehr ausreichend versorgt werden kann? Wer entscheidet für mich?

© lenets tan/AdobeStock.com
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Wenn Sie keine Vorsorge getroffen haben und aufgrund einer körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung Ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst wahrnehmen können, dann handelt Vater Staat. Denn selbst nächste Verwandte oder der (Ehe-)Partner haben nicht automatisch das Recht, stellvertretend für Sie zu handeln und zu entscheiden. Das Betreuungsgericht als Unterabteilung des Amtsgerichts wird für Sie einen Betreuer einsetzen. Die Person des Betreuers bestimmt dabei das Gericht. Auf die Vorschläge des Betroffenen oder seiner Angehörigen muss es zwar eingehen und diese berücksichtigen, ist daran aber nicht zwingend gebunden. Vielen Menschen ist aber der Gedanke, dass ein Fremder ihre Angelegenheiten regeln könnte, unangenehm und schwer erträglich. Das Gesetz trägt diesen Sorgen Rechnung und bestimmt deshalb, dass die Betreuung nicht erforderlich ist, soweit die Angelegenheiten durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können.


Was ist eine Vorsorgevollmacht?
Sie können deshalb eine Person Ihres Vertrauens durch die Vorsorgevollmacht ermächtigen, für Sie zu handeln, das heißt an Ihrer Stelle verbindliche Entscheidungen zu treffen, wenn Sie selbst dazu nicht mehr in der Lage sind. Der Bevollmächtigte muss hierbei überlegen, wie der Vollmachtgeber entscheiden würde, wenn er selbst handeln könnte.
Die Person des Bevollmächtigten und den Umfang seiner Befugnisse bestimmen Sie selbst. Weil bei einer Aufzählung einzelner Bereiche leicht etwas übersehen werden kann, wählen die meisten Menschen eine Generalvollmacht für alle vermögensrechtlichen und persönlichen Angelegenheiten.
Denkbar ist aber auch die Aufteilung der Befugnisse zwischen mehreren Personen. „Vermögensrechtliche Angelegenheiten“ sind z. B. Einzahlungen und Abhebungen von einem Bankkonto, der Abschluss oder die Kündigung eines Mietvertrages, die Beantragung von Leistungen bei der Kranken- oder Pflegeversicherung. „Persönliche Angelegenheiten“ betreffen das Lebensumfeld unmittelbar: Eigene Wohnung oder Heim? Operieren oder nicht? Wer darf die Krankenakte einsehen? Wer darf vom Arzt Auskunft verlangen?
Sie können eine Vorsorgevollmacht grundsätzlich formlos (z. B. mündlich) erteilen. Allerdings muss der Bevollmächtigte seine Vollmacht auch nachweisen können. Schon aus diesem praktischen Grund ist nur eine schriftliche Vorsorgevollmacht sinnvoll. Für bestimmte Geschäfte ist zudem eine notarielle Beurkundung oder Beglaubigung der Vollmacht unumgänglich. Wenn beispielsweise das Grundstück des Vollmachtgebers verkauft werden soll bzw. muss, kann der Bevollmächtigte das letztlich nur tun, wenn die Vollmacht mindestens öffentlich beglaubigt ist. Denn das Grundbuchamt erkennt „nur“ schriftliche Vollmachten nicht an. Das Gleiche gilt für das Handelsregister; dort wird nur etwas eingetragen, wenn der Bevollmächtigte eine öffentlich beglaubigte Vollmacht vorlegen kann. Darüber hinaus ist der Abschluss von Verbraucherkreditverträgen – z. B. wenn ein Darlehen für die Reparatur am Eigenheim aufgenommen werden muss – durch einen Bevollmächtigten nur möglich, wenn die Vollmacht notariell beurkundet wurde.

© Robert Kneschke/AdobeStock.com
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Ihre notariell beurkundete Vorsorgevollmacht können Sie beim Zentralen Vorsorgeregister der Bundenotarkammer registrieren lassen. Dadurch wir sichergestellt, dass die Vollmacht einfach und schnell gefunden werden kann und nicht unnötig ein Betreuer bestellt wird.
Mit einer notariellen Vorsorgevollmacht können Sie zwar Krankheit und Unfall nicht verhindern, Sie können aber dafür sorgen, dass Ihre Vorstellungen umgesetzt werden. Ein Notar/eine Notarin hilft Ihnen die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen. Er/sie fertigt Ihnen auf Wunsch die nötigen Entwürfe und beurkundet sie. Durch die rechtssichere Gestaltung und Verwahrung der Urkunden sorgt er/sie für Rechtssicherheit und hilft, Streit zu vermeiden. Bedenken Sie aber auch: eine Vollmacht ist immer Vertrauenssache. Es besteht die Gefahr, dass der Bevollmächtigte seine Vertretungsmacht missbraucht. Um dieses Risiko einzugrenzen, können Sie mehrere Bevollmächtigte bestimmen, die sich gegenseitig kontrollieren. Stets gilt jedoch die goldene Regel: wenn Sie schon jetzt dem möglichen Bevollmächtigten nicht über den Weg trauen, dann sollten Sie ihn besser nicht bevollmächtigen.


Was ist eine Betreuungsverfügung?
Auch das gerichtliche Betreuungsverfahren lässt sich beeinflussen, nämlich durch eine Betreuungsverfügung. So kann dem Betreuungsgericht ein Betreuer vorgeschlagen werden. Ferner können einem etwaigen Betreuer Vorgaben gemacht werden, z. B. in welcher Form Geld angelegt werden soll oder ob der Betreute eine Heimunterbringung oder den Aufenthalt in der eigenen Wohnung vorzieht.


Was ist eine Patientenverfügung?
Die Patientenverfügung ist eine persönliche Handlungsanweisung an Ärzte. Jeder kann auf diese Weise festlegen, welche Behandlung er für den Fall wünscht, dass er seinen Willen nicht mehr kundtun kann. Im weitesten Sinn ist deshalb auch die Bestimmung, keine Bluttransfusion oder Organspende zu wollen, eine Patientenverfügung. Die meisten Patientenverfügungen betreffen Behandlungs-wünsche für das Lebens­ende.n Wöbken, Braune und Kollegen

Autor: Jörg Marquard, Rechtsanwalt und Notar; Wöbken, Braune & Kollegen

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21335 Lüneburg

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